quarta-feira, 19 de novembro de 2008

Pastor Eberhard Sydow

A mãe do meu pai, Eberhard Sydow II, escreveu uma história de vida que ela chamou de Curriculum Vitae de 36 páginas, que vou tentando traduzir aos poucos

Curriculum Vitae
Eberhard Sydow
Lebensgeschichte 1928 - 1940
Eberhard Sydow

Hildegard Sydow

Diesen Bericht über Deine Kindheit und frühe Jünglingszeit verfasst Deine Mutter nicht etwa Deinem Biographen zu Gefallen – es ist ja auch fraglich, ob Du einem haben wirst, - es soll hierdurch der Erinnerung nachgeholfen wurden. Du wirst genug Eigenes dazu denken, dann alle Gedanken und Probleme ihres Kindes kennt auch die sorgfältigste Mutter nicht! Wer nach dem Sinn des Lebens fragt, soll sich bewusst werden, wie er geführt wurde – und wer es, wie Du, sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, vielen etwas zu sein, recht vielen den richtigen Weg zu weisen, der bei Gott in Seinem Reich enden soll, der soll Erkenntnis und Erfahrung des eigenen Erlebens dazu benutzen, den Anderen zu verstehen – dann ist ihn leichter zu helfen, ihn froh zu machen!


1 Erwartung – Zeppelin
1928
Deine Eltern freuten sich auf ihr zweites Kind – ob Junge oder Mädchen war ihnen völlig gleich, nur sollte das Kind weder aus 29. Februar noch am 1. April geboren werden, - zum Glück kam es am Sonntag, den 11. März zur Welt, einem ganz ungewöhnlichem kalten Tage. Der Arzt, Dr. Ehlers, der unnötigerweise von Gehlsdorf nach Krummendorf geholt wurde, behauptete, noch nie im Leben derart gefroren zu haben.

Nachbar Hans Ross hatte ihn mit seinem Wagen um 14Uhr30 geholt und konnte ihn auch sehr bald zurückfahren.
- Herr Sydow, haben Sie nicht etwas Ähnliches wie einen Fuβ-Sack?
- Das schon, Herr Doktor, aber in das Ding sind die Motten gekommen, und er haart ganz fürchterlich.
- Ganz egal, geben sie ihn nur rasch her.
Der zweieinhalb jährige Ulli hatte den ganzen Sonntag bei Familie Roos verbracht und wusste zu erzählen:
- Kommt ein Brüding und hat einen Mankel an.
So um 5 Uhr herum durfte er dann zu Mutter und Brüding ins Zimmer – aber er äußerte sich wenig. Zu seiner Mutter sagte er:
- Poppösi tut weh!
- Wo von denn?
- Von die Kimme! Aus Vaters Rede: „bück dich, Kimme auswischen“, er war ja schließlich Artillerist gewesen(!) blieb diese Rede jahrelang bei.
Ja, am 1. Tage war das beim neuen Brüding noch nicht nötig –die sympathische weise Frau verließ ihn dann noch mit dem Worten „tschüssing, Hanne Kack“.
Wenige Tage später kam die liebe gute Großmutter Sydow, die den kleinen Burschen allerliebste fand und „Mätzelchen“ nannte. Für seinen Vater war das wie immer, wenn es -lein oder –chen hieß, zu süß – und so sagte er kurz „Matz“. Auch „Jeremias Kugel-kopf“ nannte er ihn bisweilen. – An sich hatte er nichts dagegen, dass der Junge Eberhard heißen sollte, doch sagte er zur Mutter:
- Verlang´ nicht, daß ich das Kind so nenne
- Dann können wir ihn ja auch einen anderen Namen geben
- Meinetwegen kann er so heißen, nur verlange nicht, dass ich ihn so nenne.
Onkel Hans Sydow hatte kurz zuvor seinen 2. Sohn Ekkehard genannt, - so blieb es bei uns bei Eberhard und am 23.Mai gab es denn eine Haustaufe, von Großvater P. Albert Sydow vollzogen. Hierzu mussten wie die Erlaubnis unseres Pfarrers, Gemeinde Taiten- winkel, einholen. Er gab sie sogleich, doch forderte er uns DM 10,- ob warum nur, weil wir die Kirche und seine Diener nicht benützen, den Läufer nicht beschmutzen, die Altar-Kerzen nicht kürzer brennen ließen?
Wir hätten einen Fußmarsch von 35 Minuten gehabt, den wir gern sparten – und es war im großen Esszimmer, mit goldgelben Rupfen bespannt, sehr feierlich und schön! Patentante Gertrud Mackel hatte duftenden Treibhausflieder mitge-bracht!-
Der liebe kleine Kerl gedieh, wie er sollte, nahm normal zu, und doch gab es einmal einen großen Schreck: er stand im Wagen unter einem Pflaumenbaum, ganz dicht am Hause – und da war ihm doch unbemerkt eine noch sehr unreife kleine Pflaume in den Mund gefallen, an der er leicht hätte ersticken können. Zum Glück sah die Mutter nach ihm und entfernte den Fremdkörper.
Ein anderes Mal stand der Wagen im Gartenweg. Vom Fenster aus bemerkte die Mutter, dass der Wagen etwas schaukelte, der Junge also wach sein musste. Beim Näherkommen hörte sie ihm leise maunzen – ja! Da hatte eine dicke schwarze Katze es sich auf dem Kopfkissen bequem gemacht und schlief! – Das schien das Mätzelchen doch zu stören.

Sein 1. Weihnachtsfest verlebte er bei den Großeltern! Am 18. Dezember ging die Reise los – von Rostock per Eisenbahn nach Berlin, von dort über Cüstrin nach Zicher i/Neumark.


1929
Seine sonst so gebfreudige Großmutter meinte, dass der Junge mit seinen 8 Monaten ja doch nichts von einen Geschenk verstünde – aber das wollte seine Mutter nun doch nicht, völlig leer sollte er auch nicht ausgehen.
Und so kaufte sie ihm trotz der sparsamen Nickel ein Stoff-Häschen für 40 Pfennige und freute sich, wie das Kind das Tier mit der Hand umspannte und lange Zeit festhielt. – Der Junge weinte sehr selten, wie es Kinder tun, die satt sind und sauber gehalten werden. Aber einmal weinte er, im Wagen liegend, doch nach Babyart herzlich drauf los. Darauf hin fragte der 17jährige Onkel Wolfgang:
- Sag’ mal, braucht er unbedingt Zuhörer?
- Nein, durchaus nicht!
Da schob besagter Onkel den Wagen kurzerhand ins leere Nebenzimmer. Bald nach einem ganz schönen Fest – wer machte stets eine so entzückende Weinachtsstube wie Großmutter Sydow? – ging es zurück nach Krummendorf – und da brach über ganz Deutschland ein ungewöhnlich kalter Winter ein!
Es gab 11 Wochen klirrenden Frost! 3-mal am Tage mussten wir heizen. Um den Ofen herum standen die Tröge und die Eimer mit dem Viehfutter und Trinkwasser, aber unsere Hauptsorge war, die beiden Jungen warm zu halten. Als es im April endlich wärmende Frühlingssonne gab, musste Klein-Mätzelchen ganz allmählich an die frische Außenluft gewöhnt werden. Seine weiße Gesichtsfarbe und die blauen Stirnäderchen machten seiner Mutter keine geringe Sorge. – Das Vieh hatte ein ganzen Dorf unter dem strengen Frost gelitten; so hatten die Hühner das Legen vergessen. – Aber zum 11. März musste es doch einem Geburtstagkuchen geben. Die Mutter konnte im Dorf die 3 nötigen Eier auftreiben, wenn sie dafür auch den höchsten Preis, den sie je für Eier hergab, bezahlte: 1 Mark für dies ¼ Dutzend. Das Geburtstagskind durfte noch keinen Kuchen, und der 3½ jährige Ulli lag grippekrank im Bett. Aber da gab es ganz unerwarteten Besuch. Onkel Erich Zicks! – zu unserer Freude blieb er ein paar Wochen.
Unser Matz gedieh, tobte vergnügt im Laufstall umher, bis er mit ihm bis an die Wand reiste, die Tapete in Fetzen riss und einmal die kohlenschwarzen Briketts aus dem Ständer holte und sich und den Fußboden gehörig ein-schmierte.
Er lernte früh sprechen – aber spät laufen. Dr. Ehlers sagte: „lassen Sie ihn viel kriechen und keine Angst, er wird in seinem Leben noch genug laufen.“ Die lieben Nachbarn regten sich aber doch genugsam über das späte Laufenlernen auf. Da machte er aber seinem Vater eine Extra Geburtstags-freude: am 26. September 1929 lief der lütte Matz zum ersten Mal allein diagonal durchs Zimmer! Schnell lernte er es immer besser. Aber einmal musste seine Mutter ihn den 10 Minuten weiten Weg zum Kaufmann Buse mitnehmen. Weil es schneller ging, setzte sie ihn in den blauen Sportwagen. Auf halbem Wege begegnete ihnen die Mutter vom Schmied Rohde.
- „Nee, wat een söten lütten Yung. Un hei süht doch ook all ganz frank un kräftig ut. Wonan kümmt dat blot, dat hei nich lopen liebt?"
- "Doch, nu kann hei all."
- "Is ja nich wahr!"
- "Gewiss, hei kann."
- "Frau Sydow, worüm leigen Sei mi dat vör? – Hei kann nich!"
Die Mutter musste erst ihren Stolz niederkämpfen – dann stellte sie den Jungen auf den Weg und rief:
- So, Ebing, nun lauf mal los.
Als er es auch ganz ordentlich tat, war die Mutter doch neugierig, was nun wohl gesagt würde.
- "Nee doch, wat de Kinder all to machen hebben!"
Mit seinen blonden Locken, die beim kämmen leider immer so sehr ziepten, sah er wie ein Mädchen aus, so das seine Mutter und viele andere ihn auch „Lottchen“ riefen. So steht in unserem Gästebuch zu lesen: „Klein Lottchen hat sich sehr gefreut und sie sogleich mit Sand bestreut,“ das war, als Tante Käthe Välchter und die Mutter mit ihm einmal 3 junge Kätzchen in den Schos. Dem Vater tat es übrigens jedes Mal in der Seele weh wenn sein Junge „Lottchen“ gerufen wurde! Als er 2 Jahre alt geworden war kam seine Patentante Toni Boysen zu uns als Haustochter. Er hatte den Namen Eberhard Ulrich Robert Antonius. Wenn man ihn fragte:
- Wie heißt du?, so antwortete er oft:
- Eberhard Tonius.
Eines Tages drang die Kunde ins Dorf, dass da Zeppelin-Luftschiff kommen würde. Es wurde fest für Sonntagnachmittag angesagt. Wir waren alle in großer Erwartung und immer wieder hieß es:
- Heute Nachmittag kommt der Zeppelin. – Da kommt Klein-Ebing ganz aufgeregt noch lange vor dem Essen zu seiner Muter und ruft:
- Kommt er ja.
- Ja, ja, heute Nachmittag kommt er. – Aber das Kind rief laut:
- Kommt er ja, kommt er ja, – und zeigte nach draußen. Ungläubig trat die Mutter mit ihm ins Freie und suchte in der Richtung, in die der Junge zeigte, und wahrhaftig! Noch schmal wie eine Zigarre konnte auch sie das Luftschiff von der nahen Ostsee herkommend, in der Ferne entdecken. Da wurden die Nachbarn benachrichtigt – keiner wollte es erst glauben – aber dann sah man es immer deutlicher, - dann hörte man es, und dann behaupteten viele es sei ganz niedrig über ihrem Hause hinweg geflogen! Aber zu aller erst entdeckt im ganzen Dorf hatte es der kleine süße Ebing! –


2 Von Oranienburg nach Neu-Württemberg

Etwa um die Zeit jagte er seiner Mutter einen Schreck ein. Sie dachte das Kind sei bei dem netten Mädchen Arma Kuberna, diese vermutete es bei mir und da mussten sie merken daß der Junge weg war. Es gab 3 Wege, auf dem er weggelaufen sein könnte: der schlimmste war in den Wald, der ein Steilufer zur Warmow hatte. Arma und die Mutter liefen verschiedene Wege, den kleinen Ausreisser zu suchen, das Herz voller Angst. Da kommt der kleine Bursche aus dem Wald gelaufen, hat ein buntes Papier von einer Schokoladen-tafel in der Hand und will es glücklich der Mutter zeigen:
- Da eine Mukuh – das hatte ihn bewegt, den gefährlichen Weg zurück-zulaufen. Wieder einmal hatte er einen Schutzengel gehabt.

1931

Als er 3 Jahre alt war, durfte er mit seiner Mutter über Oranienburg-Eden nach Friedenau, Zicher, und zu Tante Tutti Rumsch nach Albertinenaue fahren.
Um einige Tage verspätet hatte ihn Großmutter Sydow einen netten, niedrigen Geburtstagstisch aufgebaut. Kuchen, zwei brennende Kerzen und Spielsachen, u. A.. einen Schwan auz Celluloid, etwa 2 Fäuste gross. Erfreut ergriff das Kind das Tier und hielt esin die Kerzenflamme- sogleich schlig ein helles Feuer auf – Onkel Wolfgang griff beherzt zu und warf das brennende Ding durchs Fenster in den Garten. Das war geschehen, als der Junge noch keine 5 Minuten im Zicherer Pfarrhaus war.
Im Mai kam also Tante Toni ins Haus, als Haustochter mit Gehalt, um sich davon Aussteuer zu kaufen. Sie war mit dem Theologen Bruno Bendokat verlobt.
Er kam „für einige Tage“ zu Besuch, da er aber an Halsentzündung erkrankte, wurden 7 Wochen daraus. Er hat viel studiert, aber einmal am Tage hatte er Zeit für die beiden Jungen. Dann hies es: „Stall verboten!“ Er stand gespreizt in der Tür, und die Kinder mussten versuchen, in den Stall einzudringen – das gab stets grosses Gelächter!
Am 28. September verab-schiedete er sich mit einer Eintragung ins Gästebuch:

“Tips und Taps, es war so schön,
lebet wohl auf Wiedersehn!“
Goethe, Faust II

Zum Geburtstag von Tante Toni lernten beide Kinder ein Gedicht; Eberhard, 3 Jahre u. 5 Monate sagte es am 16. August im weissen Nacht-röckchen früh an ihrem Bett auf:

„Nun ist Sonntag! Sonntagmorgen,
und Tan Toni hat Geburtstag!
Heute hab’n wir keine Sorgen
Freuen uns den ganzen Tag.
Glück!!! Soll dir die Zukunft bringen,
Nichts mach’ dir die Seele trüb,
und behalt vor allen Dingen
uns auch hier ein wenig lieb!“

Eberhard hatte Schwierigkeiten auseinander zu halten: heute am Morgen und Morgen = der folgende Tag!
Man musste gehört haben wie er das Wort Glück betonte und wie er die nächste Reihe, die er nicht verstand, ganz schnell und leise herunterleierte.
Eine schlimme Sache leistete er sich als er in Ullis Tukpe spuckte! Der grosse Bruder war so empört, daß der Deliquent bestraft werden musste. Tante Toni, Ulli, die Mutter und der kleine Sünder versammelten sich im Garten um die mißbrauchte Tulpe.
- Hast Du wirklich in diese schöne Tulpe gespuckt?
- Ja
- Soll ich Dich jetzt mal auf den Kopf spucken? – da kam ein sehr jämmerliches
- Nein!
Es gab dafür einen Klaps, und der Tulpenbesitzer war gerechtfertigt.
Ein grosse Freude für die Jungen war der fast tägliche Besuch des Jung-Stahlhelmers Alfons Kolpcke.
- Alfönschen – Aldönschen – neckte der kleine Eberhard ihn.
- Lockenbubi – wurde er dafür von Kolpckes genannt, und da er zu gern mit ihnen im Paddelboot – es hieß „Ströper“ – fuhr, nannte sie ihn auch „Paddelbubi“. Am 24. Dezember erschien Alfönschen als Weihnachts-mann, da bekam der kleine Kerl in rauhesterWeise allerlei zu hören:
- Du Pottkieker. Du, Du böser Bube, der immer seine Strümpfe zereisst, warum isst Du keine Semmelklöse? – usw.
Leider litt der Junge einige Jahre an Pseudo-Krupp. Diese Krankheit befällt mehr Jungen als Mädchen, tritt meistens mit 2 Jahren auf und verliert sich mit 6 Jahren. Manchmal kam es zu beängstigend schweren Krampfanfällen! Plötzlich gab es Atemnot, und ein erschlaffen des ganzen Körpers trat ein. Eberhard lief dan auf seiner Mutter Schooß und bat:
- Su-su machen.- Verharrte dann einige Minuten ganz regungslos – sprang auf die Füßchen und rief im Weglaufen;
- Nu ghet besser – und spielte frohgemut, als wäre nichts gewesen.


1930

Im August fuhr die Mutter mit Ulli und Eberghard zu „Bopa’s“ Geburtstag nach Friedenau. Die beiden Kinder von Tante Tutti Rumsch waren auch mit ihrer Mutter gekommen, dazu gesellte sich Onkel Brunos Ernst-Jürgen. Tante Grete hatte für diese Enkelkinder 5 gleiche Astern-Sträuschen besorgt, die sie Bopa nacheinander überreichten – alle strahlten dabei um die Wette, und der liebe Großvater sagte am Abend:
- Dies war der schönste Tag meines Lebens!
Zu Pfingsten bekamen beide Jungen Scharlach – zum Glück nur leicht und ohne Nachwirkungen. Unsere Haustochter Edith Bethje blieb wegen ansteckungsgefahr zu Hause. Dr. Med. Ehlers kam täglich. Jedesmal wollte er den Rücken der kranken Kinder sehen. Kam der Arzt ins Zimmer, sprang Eberhard sogleich in seinem Gitter-bettchen hoch und rief:
- Nacktrock ausziehen?
- Du mit deinem Nacktrock – lachte der Doktor.
Einmal erbte Eberhard von Hans Büchsel, Sohn des Theologieprofessors Friedrich Büchsel, eine roten Anzug aus warmen Stoff. Darüber trug er in der Kälte eine marineblaue Jacke. Wenn unser Dorf-mit-bewohner, Herr Stüben, ihn so sah, rief er ihm immer „Franzos“ zu. Eines Tages kam besagter Herr mit seinem Sohn zu uns und brachte „für den Franzos“ ein hölzernes Schaukelpferd, das seinem Walter zu klein geworden war. Es war noch nicht im Hause, stand zwischen Gartenpforte uns Haustür, als der Beschenkte ausrief:
- Rosinante rannte
auf das Feld, frass sich dick
und platzte!
Woher der Junge diesen Unsinn hatte, überhaupt das Wort Rosinante kannte, blieb uns schleierhaft. Aber nicht nur Herr Stüben, alle Nachbarn hatten den drolligen Jungen gern. So erzählt Frau Lahrmann: als Eberhard bei ihr in derguten Stube war, zeigte er auf ein Foto das das Ehepaar Lahrmann darstellt:
- Tante Lohrmann, da bist Du, - und das ist Ihr Mann!
Einmal hatten Ulli und Eberhard mit grösseren Kindern am Ufer der Warnow gespielt, und der kleine war von einer kleinen Mauer ins Wasser gefallen, nur 5 Minuten vom Haus entfernt, da brachte eine ganze Schaar ihn triefnaß nach Hause. Der Hauptgedanke der Mutter war ihn so rasch wie möglich trocken anzuziehen – und da es keine Schelte gab, lachte der Junge über das Abenteuer, als wäre keine Gefahr dabeigewesen! Das hatte er raus: wenn es Schelte oder Zurechtweisung gab, und er nur irgendwie merkte, daß es Mutti dabei garnicht so ganz ernst war, dsann wagte er schnell ein Lachen und freute sich seines Sieges.


Sept. 1930

Als er genau 2 ½ Jahr alt war, wollte er doch auch ein Gedicht ausagen. Ulli, der gerade 5 Jahre alt war, brachte seine neue Fahrradlampe und lernte dazu etwa 12 gereimte Zeilen. Eberhard sollte das dazugehörige Karbid überreichen un dazu sagen:
- Vater hab’ Dich lieb,
schenk’ Dir hier Karbid
Er hatte es schnell genau gelernt. Als Ulli nun sen Verschen fliessend aufgesagt hatte, fing der kleine an:
- Vater hab’ Dich lieb,
schenk’ Dir hier Karbid
Karbid, Karbid, Karbid
Die 9 Worte schienen ihm wohl zu wenig.
Einen Schmetterling nannte er lustig Finkeling, zu Oldenbürger sagte er Enckebencke, und Rostock war Rossoch! Als das Lied aufkam: „O Dona Clara, ich hab Dich tanzen gesehn“ konnte er sich unter einer Dona nichts vorstellen und sang deshalb „o dumme Clara“.


1931

Unser Garten hatte viel Obst: Stachel und Johannisbeeren, Birnen und Erdbeeren und sehr, sehr viele Äpfel. Nun wurde im Herbst ein riesengrosser Kürbis geschlachtet.
- Guckt mal – sagte Vater, - er weint - als an den durchgeschnittenen Hälften Tropfen herunter liefen. Mutter fragte:
- Was ist diese Flüssigkeit eigentlich?
- Das sind ätherische Öle


1932

Als die Kinder im März in Friedenau bei den Großeltern Schultz waren, bei Bopa und Emi, da stellt sich Klein Eberhard vor seinen Onkel hin und doziert:
- Onkel Bruno, wenn man einen Kürbis durchschneidet, schwitzt er ätherische Öle.
Als er das Bild einer Schlange sah, erklärte er:
- Das ist eine Boa constrictor – auch nur aufgeschnappte Weisheit. Onkel Bruno war entsetzt, was den Kindern „eingetrichtert“ würde! In Friedenau bekamen beide Jungen leider Keuchhusten. Um das Schwesterchen nicht anzustecken, mussten sie lange über die geplante Zeit bleiben. Schließlich wurde doch die heimkehr gewagt. Als Klein Eberhard dann zu Hause den 1. leichten Hustenanfall bekam, guckte er die Mutter an und sagte:
- Ja Mutti, so ist nun Keuch-husten.
Einen Tag kam der Junge auf die Idee, auf unserem Felde, etwa 30 m vom Hause, in einem Haufen eben abgeruteten Erbsenstrohs zu schlafen!
- Ganz allein hier in der dunklen Nacht? – Er sagte zu allem uner-schütterlich:
- Ja.
Erst als wir ihm in Aussicht stellten, daß dann wohl der grosse Hund von Bauer Westendorf kommen würde, um ihn zu beschnuppern, bekam er bedenken.


1932

Im Mai wurde es recht heiss. Da beschloß die Mutter, dem „Lockenbubi“ doch die Haare schneiden zu lassen. Er ließ es brav geschehen und bekam einen pickfeinen Scheitel. Auf dem Heimweg vom Barbier begegneten uns gute Bekannte und erkannten den Jungen nicht, ganz wirklich nicht. Aber einmal musste er doch noch als Mädchen gehen.
Im August zu Koepckes Silberner Hochzeit kam er als ein allerliebstes Rotkäppchen mit einem Körbchen voller Eier und Butter, beides Sachen, die der Silberbraut in den teuren Zeiten höchst willkommen waren.
Während des Kafeetrinkens brach ein Gewitter los, das von 3 Seiten kam und stundenlang kein Ende nehmen wollte, das war in der engen hochgelegenen Wohnung in Rostock nicht ohne Gefahr. Nachts um 1 Uhr befand sich die ganze Familie Sydow auf dem Heimjweg nach Krummendorf, Klein Mechthild im Wagen. Als man in Gehlsdorf das Haus von Dr. Mulert passierte, rief der kleine Eberhard vergnügt:
- Hier wohnt Doktor Dulert.
Die Not war im ganzen Lande gross, und es wurde besonders von de Franzosen nicht viel Gutes gesprochen; da sagte Eberhard eines Tages voller Überzeugung:
- Im Himmel können die Franzosen uns nichts tun, da beschützt uns der liebe Gott – sein Schutzengel war auch bei ihm als am 25. September in Herrn Kindt’s Gasthaus-Garten ein Junge, der dort schaukelte, das Kind mit seinem Stiefelabsatz sehr hart in diew Stirn traf, heftig blutend wurde er nach Hause gebracht.


1933

Anfang des Jahres begann der Gedanke, nach Brasilien auszuwandern, aufzukommen. Die Zukunft für die deutsche Jugend sah nach dem Versailler Vertrag grau – fast schwarz aus.
Deutschland durfte eine Armee von 10.000 Mann halten, aber ebenso viele oder mehr Gerichtsvollzieher[1] fanden ihr gutes Brot bei Pfändungen im ganzen Reich.
- Früher gingen wir zu Fuß, dan kamen wir per Rad, heute kommen wir im Auto und kehren oft Haus bei Haus ein.
Das Krummendorfer Anwesen wurde verkauft, und im Juni wurde Abschied genommen! Den meisten Nachbarn tat unser Scheiden leid – zum letzten Mitagessen waren wir in 3 Familien eingeladen. Zu erst ging es für einige Tage zu den Großeltern Sydow nach Lehnitz, dann nach Friedenau. Ganz besonders schmerzlich empfand „Bopa“ die Trennung.
- Hoffentlich geht es euch gut in Brasilien, daß es das schwere Opfer wert ist.
Wegen Mechthilds Gesundheit hatte die Mutter das Kind nach Celleins Kinderhospital zu Tante Gertrud Mackel gebracht. Nun musste das Kind abgeholt werden. Die Mutter fuhr mit Klein Eberhard hin, damit er seine Patentante noch Lebewohl sagen konnte. Einen ganz grossen Spass machte ihn das warme Baden in der weissen Badewanne. Als es zum letzten Anschied auf den Bahnhof kam, spürte es, daß er der guten Tante Gertrud das Herz sehr schwer war.
- Laß gut gehen, laß gut gehen – rief er ihr recht innig zu – un wenn ich wiederkomme, besuche ich Dich.
Am 7. Juli 1933 ging es in Hamburg auf die Monte Olivia, Tante Grete war auch mitgekommen. Abends um 10 Uhr mussten alle Besucher von Bord. Die 3 Kinder wurden zu Bett gebracht, Ulli und Eberhard in einer Kabiune, aber die Frossen löste das Schiff erts morgens ½ 2. Mit 1000 Gedanken und Hoffnungen standen die Eltern am Deck, bis wir Cuxhafen erreicht hatten. Es gab eine ungewöhnlich glatte Überfahrt, die ganze Zeit mit Rückenwind. Leider erkrankten beide Jungen, angeblich an Para-Thyphus – sie mussten mit 40° Fieber ins Schiffslazarett. Vorher aber konnte wenigsten Eberhard die Äquatortaufe mitmachen. Er bekam den Namen Stint, doch hatte er grosse Angst vor den schwarzen Männern, die die Täuflinge ins Wasserbecken holten. Esd waren zwar nur schwarzgemachte deutsche Matrosen, doch als sie ihre Negerarme nach dem Jungen aus-streckten, weinte er und wollte nicht mitmachen.
Bei dem Fieber musste er natürlich fest zu Bett liegen, aber die meiste Zeit beschäftigte er sich irgendwie. Über seinem Bett befand sich ein zweites, aber leeres Bett, dieses besteckte er mit den vielen bunten Menükarten die es auf dem Täglichen Mittagstisch gab. Der Schiffsarzt staunte und sagte, so etwas sei ihm bei so hoher Temperatur einfach noch nicht vorgekommen.
Die sympatische Kranken-schwester, die schon viele Jahre zu Schiff fuhr meinte, als die Typhusunter-suchung negativ war, es sei wohl nur Hitzestauung bei den Kindern:
- Geben Sie ihnen zu heissen Tagen viel Kühles zu trinken.
Als die Äquatorhitze aufhörte, durften due Jungen wieder an Deck. In Santos durften sie für kurze Zeit an Land und schauten sich verwundert die Verladung von Kaffeesäcken an. Als dann Passagiere ausgebootet wurden, winkten die Zurückbleibenden nach. Eberhard stieg mit seiner Mutter aufs obere Deck und kletterte auf eine Holzbank. Als dann die Monte Olivia den Scheidenden einen Abschiedsgruss hummte, fiel der Junge vor Schreck fast von der Bank! Am 31. Juli verließ die ganze Familie früh um ½ 8 Uhr das schöne Schiff und wurde bei strömenden Regen von einer Barkasse, die noch de Hamburg-Süd-Flagge wehen hatte, an den Landesteg von Rio Grande gebracht. Vater hatte mit der Zollabfertigung zu tun, die sehr gnädig ablief, die übrige Familie fuhr in einem Taxi, in dem sie wegen zerbrochener Fensterscheibe nass wurdfe, für 6 Tage ins Hotel Krüger, wo siwe zum 1. Mal die guten schwarzen Bohnen zu essen bekam. Am 5. Agust ging es über Cassequi, wo es allzu scharf gewürztes Mittagessen gab, nach Santa Maria, um dort, im „Hotel Hamburgo“ zu übernachten, zum ersten mal unter einem Moskitonetz. Am nächsten Tagen ging es weiter nach Belizário, wo das Auto, das Post bringt und holt, auch Passagiere mitnimmt. In rasender Fahrt ging es nach Neu-Württemberg. Der Schofför, Martini, hatte vorher zu seinem Beifarer gesagt:
- Woll’n den Neu-Deutschen doch mal zeigen, was fahren heisst – und er zeigte es!!.
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Neu-Württemberg

Bei de Einfahrt in Neu-Württemberg, am Sonnabend, den 6. August 1933 leuteten grade alle 3 Glocken den Sonntag ein. Quartier wurde bei Julius Becker und Frau genommen, die ihre Pensionsgäste auf jede Weise gut aufnahmen.
Im August wurde dann die für 16 Contos gekaufte Kolonie bezogen, die gemeinsam mit Herrn Wilh. Paetow erworben wurde . Sie lag an der Fiusa und war im ganzen kein schlechter Kauf, nur wurde es auf die Dauer unmöglich mit Herrn Paetow auszukommen. Im November trennte man sich und die Familie zog runter zum Stadtplatz, zunächst in das Lindner’sche Haus. Als hilfreiche Nachbarn hatte sich Fmilie Julius Adam bewiesen, die mit 3 Söhnen und 2 Töchtern die Nachbarkolonie bewirtschafteten. Von der Kolonie aus war Ulli die 3 km täglich zur Schule geitten – jetzt hatte er einen Weg zu Fuß von 7 Minuten. Mit der althergebrachten Weihnachtsfeier am 25. Dez. hörte das Schuljahr auf - und zu Beginn des neues wollte Eberhard durchaus auch schon zur Schule gehen.


1934

Der sehr verständige junge Lehrer, Werner Honscha, er stammt aus Schlesien, meinte, man solle den Versuch mit dem lernbegierigen Kinde machen. Und so ging Eberhard mit 5 Jahren und 10 ½ Monat am 30. Januar [1934] zum ersten mal in die Schule – und die Begeisterung hielt an! Leider litt fast die ganze Familie unter Landflöhen und auch Eberhard unter den sogenannten „Klimawunden“, besonders in der Gürtelgegend. An seinem Sonntag-Geburtstag war er leider so elend, daß er nicht in den Kindergottesdienst gehen konnte, aber da kamen die Kinder mit Frau Pfr. Erika Strothmann ins Haus und sangen dem Geburtstagskind „weil ich Jesu Schäflein bin...“ Das war eine große Freude! Er hatte von den Eltern das gewünschte Habafahrrad bekommen, - bei Kemibert Kloß für 8 Milreis gekauft – immer mal wieder stand er vom Bett auf und probierte es auf dem geräumigen Flur im 1. Stock des Hauses. Später hat er das Fahren so gut gelernt, daß er oft an Carreiras teilnahm. Nur beim Zuschauen konnte einem Angst und Bange werden, wenn die beiden Brüder einen steilen Berg hinunter sausten.
Zu Ostern war es mit den Klimawunden der Mutter beonders schlimm. Ehepaar P. Strothmann kam zu besuch und holte trotz des 1. Feiertages de Arzt Dr. August Lieberknecht, der sofort absolute Bettruhe verordnete. Wie sollte jetzt der arme Vater den Haushalt besorgen, die Familie verpflegen und die kranke Frau betreuen? Doch wieder kam Hilfe in der Not. Abends noch kam Herr und Frau Dr. Gustav Kuhlmann angeritten und holten beide Jungen zu sich in die Mühle. Wochenlang durften sie dort bleiben. Es war eine herrliche Zeit. Frau Doktor nannte den kleinen ihr Nenne – und sie hatte viel Spass an seiner drolligen Art.
Es gehen allerlei Anekdoten von ihm und seinen Aussprüchen herum, die aber vor den Eltern geheim gehalten wurden. Einmal fragte der 6 jährige:
- Herr Doktor, was verdienen Sie eigentlich?
Aus dieser Zeit stammt auch die Erkenntnis „alle Tiere decken sich, bloß die Menschen nicht!“
Hatte er eine Stunde früher aus, so wartete er auf Ulli, bis dessen Schulstunden auch zu Ende waren. So sah er einmal einer Turnstunde der 3. Klasse zu – da entdeckte er einen Blumenküsser und rief voller Freude mit dem kleinen Finger darauf hinzeigend:
- Ein Kolibri, ein Kolibri, - da hatte er seinen Namen weg – jahrelang wurde er Kolibri gerufen.
Eine grosse Sache war das jährliche Schul- und Frauenhilfsfest, an dem Dr Kuhlmann Cinema machte und käufliches Eis herstellte und Sydows Kasperle spielen, und es auch noch andere Abwechslungen gab. Vor allem Herr Friedrich Krahe war immer sehr bemüht, alles so herzurichten, daß es für Alt und Jung recht unterhaltend war.
Am 11. Juni 1934 war dann der Umzug auf das Eigentum das hinter der kleinen Fiusabrücke lag, - es war handtuchförmig und wurde von einer Landstraße durchkreuzt. Es hatte einen kleinen Wald, der von einem kleinen Bach durchzogen wurde – ein herrlicher Spielplatz für Kinder. Leider war die Mutter wieder bettlägrig mit Fieber.
So kamen die beiden Söhne wieder zu Kuhlmanns und der Vater fuhr mit der krankeb Mutter allein in die brasilianische Bude – ohne elek. Licht, ohne Fenster! Aber von Anfang an zeigten sich die Nachbarn hilfreich und gut: Familie Dhein und Herr und Frau v. Düring.
Als die Buben wieder nach Hause kamen, ritten sie auf „Hanning“, einen weißen marchador, zur deutschen Schule. Diese Schüler waren der brasilianischen Schule ganz allgemein ein Dorn im Auge. So haben die Jungen unseres Nachbarn Lindolfo auf dem Schulheimweg mit Steinen geworfen, um das Pferd scheu zu machen, das die Jungen abwerfen sollte. Was tun? Sollte der Vater dazwischenfahren und die bösen Buben tüchtig verhauen? Es war so beschlossen, doch wurde erst Frau Dhein gefragt.
- Tun sie das ja nicht! Sie wissen nicht was daraus wirdIch werde mal mit den Eltern reden. – Sie tat es auch und erklärte den Leuten, daß die beiden Deutschen liebe Jungen seien – und sofort war die Sache aus der Welt und ein dauernder Friede hergestellt.
- Ja, ja – sagte Eberhard einmal – Frau Dhein ist der halbe Minoly – so hieß der Orts-Subprefäkt.
Zu den Geburtstagen wurden eingeladen: Dieter Fertsch, Manfred Dippan, Ivo Heinrich, Kuhlmann’s schmare Elvina Roda, auch Mila Hisserich, die aber 2 x nicht kommen durfte, weil sie wegen Kleinigkeiten gestraft werden musste! Und natürlich Ursula und Brigitte Strothmann, Aber Eberhards eigentlicher Herzenschatz kam nie zu Besuch.Seit die beiden sich um die Schulhaus-Ecke herum versehentlich in die Arme gelaufen waren, gab’s Neckereien ohne Ende. Eberhard nahm das sehr gelassen hin, Annemarie Klein dagegen voller Wut. Als Ulla Strothmann ihr einmal zurief:
- Eberhard Sydow lässt dich schön grüssen – antwortete sie aufgebracht:
- Er soll die schwarze Theresa grüssen, aber nicht mich.
Als Ulli und Eberhard Masern bekamen, schickte Herr Fr. Krahe ihnen bunte Papierreste. Daraus wurden Girlanden geklebt – und als bald darauf der Kindergottesdienst eingeladen wurde, wurden die bunten Kettenvon Baum zu Baum gezogen. Die kleine Tochter von Adolf Franke urteilte:
- Sydows haben sich das was kosten lassen.
Zu Ostern kamen viele Kinder, um sich Ostermoos zu holen. Ein Riesenbaum im Potreiro[2] hatte genug für alle. Durch dieses Potreiro musste man hindurch, um Milch bei Frau Dhein zu holen, man musste auch über den Bach auf einem Baum balancieren. Auf dem Rückweg vom Milchholen trat sich Eberhard einmal einen dornigen Zweig in die Fußsohle. Er lag am Boden und rief jämmerlich. Der Ruf konnte aber nicht bis zum Hause dringen – innerlich getrieben eilte die Mutter dennoch dem Verletzten zu Hilfe. Das Kind flehte:
- Den Zweig nicht rausmachen!
Was sollte aber werden? Selbst wenn das Kind getragen wurde, schleifte der Zweig mit. Das Herz fest in die Hand nehmend, zog die Mutter ihn mit einem Ruck heraus – und etwas gestürzt konnte der Verwundete doch ins Haus und sogleich ins Bett kommen. Zum Glück heilte die Wunde sher schnell.
Ein guter Freund wurde uns unser mecklenburgischer Landsmann Karls Christmann. Die Jungen sind den Weg von fast 1 Stunde oftmals zu ihnen rausgeritten und durften dort Laranjen[3] a vontade futtern. Oft war er auch bei Sydows zu Besuch, - leider mochte er keinen Kuchen. Eberhard Stellte darum fest:
- Onkel Kist (so nannte Mechthild ihn) ist ein vegetarier über Kuchen!


1937

Zu Eberhards grossen Freude nahm Dr. Kuhlmann ihn zum Schwimmunterricht an, ehe er 10 Jahre alt war. Er hat das schwimmen bald gelernt und verdiente sich die Fahrtenschwimmer-Bescheinigung[4] (1/2 Std ohne Unterbrechung). Auch sein heisser wunsch, vor 10 Jahren in Dr. Kuhlmann’s Jugenschaft eintreten zu zu dürfen, ging in Erfüllung, nur dauerte die Freude nicht lange, - Ende 1938 kam der Befehl, die rganisation aufzulösen.
Am 18. September 1937 wurde das Brüderchen Gunther geboren. Als um 5 Uhr rdm. Die gute Nachricht kam, er war den Tag über bei Dheins, wurde ihm gesagt:
- Eberhard, du hast ein Brüderchen, es sieht ganz schwarz aus! Ja! Gewiss! – das letztere hat er auch keinen Augenblick geglaubt.
Im Mai 1938 wurde der Umzug nach Ijuí beschlossen. Der guten Schule wegen, es unterrichteten die beiden Akademiker Dr. Gustav Kuhlmann und Erich Schild, solten beide Jungen bis Ende des Schuljahrs in Neu-Würtemberg bleiben. Sie kamn zu Arnold Döth und seiner guten Frau in Pension und wurden dort aufs beste gehalten.. Enge kameradschaft verband sie mit den 3 Kindern (siehe Poesiealbum-Verse!) – es wurden allerlei kurzweilige Dinge ausgeheckt.
So wurde einee Laube gebaut, vielmehr ein Laubenhaus. Es hatte Platz für mehrere Personen. Als die Mutter einmal zu Besuch kam, war die Laube blitzsauber gekehrt, und es wurde dort zu Mittag gegessen: ungezählte prächtige Kartoffelpuffer!
Bange machten sie sich gegenseitig mit dem „Brummeluse“. An Heimweh litten die Beiden nicht, aber es war doch schön, wenn der Caminhão[5] von Heinr. Koch von den Eltern aus Ijuí ein Päckchen oder einen Brief brachte. Durch einen Dauerregen musste Koch seine Fahrten von Neu-Württemberg nach Ijuí für 3 volle Wochen einstellen. Ulli und Eberhard kommen aus der Schule, und letzterer meinte:
- Wollen mal bei Koch nachfragen! – Ulli:
- Das hat gar keinen Zweck, er konnte ja garnicht fahren!
- Ach, ich frage mal – als Antwort bekam er von dem sonnst so gutherzigen Koch zu hören:
- Fählt dir’sch? – es lag viel gesammelte Wut hinter diesen Worten.
Auf veranlassung von Nord-Amerika wurden in Brasilien neben anderen harten Maßnahmen alle Deutschen Schulen im Dez. 1938 geschlossen. Die Jungen kamen nach Ijuí zurück. Eberhard war riesig gespannt auf die neue Wohnung, aber da sie mit den gleichen Möbeln ausgestattet war, fand er sie so ähnlich, daß er enttäuscht sagte:
- Das ist ja beinahe dasselbe!
Zuerst wohnte die vereinte Familie neben Restaurant Adolf Branckes, gegenüber von Glitz, dicht am Bahnhof. Den Kindern hatte es die Lokomotive „66“ angetan – sie wurde mit Holz geheizt. Abends wurde nochmals nachgelegt und der Schornstein zugedeckt – dann hielt sich die Glut oftmals bis zum nächsten Morgen.


1939

Im Januar gingen Ulli und Eberhard für einige Zeit nach Ijuí Lha 19, um Pfr. Walter Scholtz bei der Ernearbeit zu helfen – aber am 2. Februar fing Ulli als Lehrling in der Farmácia Schenck an[6].
Eberhard kam im März in die Synodalschulevon Ijuí. Hier wurde er in der Hauptsache von Maria Laneure und Malchen Laeur[7] unterrichtet, die als geborene Brasilianerin Diretora sein durfte. „Sie hatte ein liebes, rundes Gesicht“. Mit Frau Laneures Rangordnung waren wir absolut nicht zufrieden. Für staubwischen galten gute Punkte ebensowie für einen guten Aufsatz oder eine Mathematikarbeit. Und da hat es geraucht! Tante Hoese wollte vermitteln, aber wir konnte man bei solcher Methode noch Ehrgeiz für einen guten Klassenplatz haben?
Als das herbeibringen eines patriotischen Feuers am 1. September eingeführt wurde, machten auch alle Schüler von Ijuí mit, und hielten am Tage Ehrenwache am symbolischen Feuer, das die ganze Semana da Pátria[8] hindurch gehalten wurde. Zum ersten Male wurde es am 31. Aug / 1. Sept um Mitternacht auf der Praça angezündet. Es war, wie fast immer in der Semana da Pátria, sehr kalt – und es regnete. Die Kinder mussten trotzdem um 23 Uhr antreten. Eberhard erzählte nacher, daß sie sich bei dieser nächtlichen Begegnung zuerst gefragt hätten, was und wieviel übereinander sie alles anhätten, - zu uberst natürlich die Schuluniform. Punkt 24h wurde die Fahne hochgezogen. Der Prefäkt Ernildo Bührer, versuchte mit einer Lunte[9] das Feuer zu entzünden, aber 3 x versagte das Streichholz. Im Schutze der Prefeitura[10] gelang es dann endlich! Es standen immer 4 Schüler oder 4 Schülerinnen Wache - , nachts allerding Militär. Auch der reichsdeustschew Eberhard machte mit, an einem Vormittagr auf Geheiss des Prefäkten sogar 2 mal weil die Ablösung nicht erschien, (es war gerade Mittagpause!) – Nach kurzem Intermezzo auf der Chácara[11] von Clerysante Leite war man in das Haus des Korbmachers Protest gezogen, das mit Familie Bruno Dombrowski geteilt wurde. Auch hier ging es vertrüglich und gemütlicher zu. Im Nebengebäude war vorübergehend die Post untergebracht, in der Dª Corinna und Dª Ema arbeiteten. Hinter dem Hause war ein abschüssiger Garten, in dem eine Dreck-Rutschbahn errichtet wurde.
Aber Eberhard hatte noch einen anderen Plan: er baute sich ein kleines Haus, gross genug, daß er aufrecht darin stehen konnte. Inzwischen war Dr. Rausch (Ungar) unser Nachbar geworden, und der hatte Roentgen-Radio-Fotos in den Lixo[12] geworfen. Eberhard wusch sie sich sauber und setzte sie als Fenster in seine Bude ein. Ulli hat ihn dann neben seiner Burg stehend gecnipst und hinter das Foto geschrieben: „Der Wüstenmaurer und sein Werk“.


1939

Als im Februar ganz gross Karneval gefeiert wurde, hatte auch Eberhard viel Zeit und Geschick aufgewendet, sich farbenfroh zu kostümieren und zu bemalen und sich mit Pappherzchen zu dekorieren. Am Spätnachmittag machte er sich auf den Weg zum Vereinshaus. Die Mutter tat ihm den gefallen, etwas später zu kommen, um zu gucken; aber wie fand sie ihren fröhlichen Burschen? Laut und verzweifelt weinend und von dem einem Bein auf das andere trampelnd. Grössere, böse Buben hatten ihn mit Lança perfume[13] gespritzt – zwischen die Beine! Und das tat weh! Die Mutter rief:
- Komm sofort nach Hause – nicht daß sie seine Not nicht einsehen konnte, aber eine so lustige Aufmachung und dann weinen! Das forderte den Spott der Zuschauer heraus! Er kam auch sofort mit – aber die Enttäuschung war doch sehr gross!
Als Waschhilfe kam Fräulein Mama Leopoldina Dannenberg zu uns – sie wurde „Poldchen“ genannt, eine gute Seele. Sie hatte eine etwas vermanschte Figur, war klein geblieben, hatte kurze Arme und Beine, aber mächtige Hüften. Als sie Eberhard einmal melche futtern sah, mahnte sie:
- Ebi, iss nicht so viele Bananen, die geb’n dicken Hintern.
Eine weitere volkstümliche Erscheinung in Ijuí war der „Kongo Velho“, ein uralter Neger, intelligent und immer freundlich. Als Vater 45 Jahre alt wurde, sagte Eberhard ein deutsch-portugiesisches Gedicht auf und war auch 2ländisch angezogen: Matrosenbluse, Strohhut, barfuss. Er überrreichte Manschettenknöpfe in Form von cuia und bomba[14].

O pai der faz anos heut’
Por isso freun’ sich todos Leut
Quarenta e cinco, so viel wird er alt
Drum grita ihr „viva“ daß forte es schallt
Wir kauften presentes, não muitos, mas bons
Da Gressler, Luchäse, de Geiss e de Schenck
Nos demos dir hoje zum ew’gen Gedenk[15]

Das hatte man in Compagnie zurechtgereimt, - allein machte der 11 ½ jähr. Eberhard seiner Mutter folgendes Gedicht:
Freu Dich, Mutti, freu Dich –
Sag’ zu allen „ja“
In der Welt so herrlich
Denn der Herr ist nah
Laß’ es Dir nicht grauen
In der grossen Erd’
Zum Herrn musst Du schauen
Damit Dein Werk was werd’.

So liebevollen Rat konnte man schon gebrauchen, denn in Europa hatte der 2. Weltkrieg begonnen.
Mit grosser Liebe wusste Eberhard zu schenken. So brachte er seiner Mutter voller Liebe und Freude eine Puddingform, die einen Milhokolben[16] darstellte, aus dem Polnischen übernommen, wurde sie die Cucurusa-Form genannt. Mit seinen wenigen Nickeln beteiligte er sich such an Ullrichs Geschenk, einer sehr brauchbaren Kafeemühle. (1935) Ganz unvergessen soll ihm die Frauenhilfsnadel sein. Er verkaufte an Schulkameraden von seinen deutschen Spielsachen und kam mit 3 Milreis zu Frau Pfr. Strothmann:
- Ich wollte meiner Mutter die Frauenhilfsnadel kaufen
- Ja, Eberhard, die kostet aber 4 Milreis
- Ich habe aber nur 3.000,-
- Nun, dann kann ich ja 1.000,- dazu legen – meinte Frau Pfarrer. Die Nadel trug die Umschrift „Evangelische Frauenhilfe von Rio Grande do Sul. 1930“ und musste 1942 durch eine andere abgelöst werden, die keine deutsche umschrift hatte, aber die alte Nadel hebt die Mutter heute noch in ihrem Schmuckkästchen auf.


1940

1940 ging der Vater nach Porto Alegre, weil sich in einer Hafenstadt doch andere Verdienstmöglichkeiten boten, als im Innern. Da aber nicht gleich eine Wohnung beschafft werden konnte, blieb die übrige Familie in Ijuí.
Gleich zu Anfang des Jahres forderte Pfr. Walter Scholz in Lha 19 (Ajuricaba) Eberhard als Hilfe an, - Pfr. Scholz lag mit verschleppter Grippe fest zu Bett und brauchte jemand, der beim Futtern der vielen Rasseschweine half. Da hieß es Milho-Kolben abziehen. Einmal kam die Mutterunerwartet zu Besuch, da traf sie ihren Sohn im Schuppen mit scheinbar völlig weissen Haaren. Es lag aber nur Milhostaub darauf. Verk¨rzt hatte er sich die langweilige Arbeit, indem er Lider umgekehrt und gänzlich rückwärts singen konnte. Der Kranke wurde sehr leicht ungeduldig – es war eine schwere Zeit. Eberhard gestand, daß der Wandspruch ihn oft getröstet hätte: „Seid fröhlich in Hoffnung, geguldig in Trübsal, haltet an am Gebet“ – es wurde 1941 sein Konfirmationsspruch. Und eines Tages schickte der 11 jährige einen Brief nach Hause, in dem geschrieben stand: „Ich möchte Pfarrer werden. Mein Entschluss ist unumstösslich. Bitte, sagt es noch keinem, nur Tante Hate und Olga Weckerle.“ Tante Hate meinte, er sei doch wohl etwas zu jung, solch einen Entschluß zu fassen. Aber Frau Weckerle rief aus:
- Au ja! Das ist recht – und wenn ich dann alt bin, schreibt er mir erbauliche Briefe!
Im Oktober feierte Ijuí sein 50-jähriges Bestehen, dafür wurde grosszügig eine vielseitige Ausstellung hergerichtet, - es war sogar erlaubt, auf dem grossen Gelände und in der Riesenhalle deutsch zu sprechen. Besucher strömten in grosser Zahl herbei. Auch Eberhard schrieb aus Linha 19: „Viele, viele Wagen fahren hier zur Ausstellung vorbei, aber für mich ist kein Plätzchen!“
Dann war er eines Tages aber doch überraschend gekommen, leider entsetzlich humpelnd. An einer aüsserst empfindlichen Stelle, in der Mitte der Fußsohle, hatte er einen Kranz von Sandflohnestern. Von vielen Tränen begleitet wurde ein Nest nach dem andern herausgeholt, sodaß der Junge wenigstens auftreten konnte. Zur Ausstellung fuhr ein Omnibus, eine ganz neue Sache für Ijuí. Eberhard bekam die nötigen 2 Milreis für die Hin- und Rückfahrt, aber zurück kam er gelaufen, so hatte sich der Fuß gebessert. Er war hell begeistert von der Ausstellung – sie gefiel im weit über Erwarten.


1941

Als das neue Schuljahr begann, kam Eberhard wieder nach Hause, - und da holte Pfr. Gottfried Scheele (?) den Jungen für seine überaus lebhaften Gerhard. Als Gegenleistung erhielt Eberhard Lateinunterricht. Urlaub gab es nur sehr sparsam, und dann richtete Eberhard es so ein, daß er Hans Fritsche hören konnte, der täglich deutschen Kriegsbericht gab. Frau Pfr. Scheele, schwer zuckerkrank und ihr 2. Kind erwartend, verhielt sich in grösster Reserve zu ihren „Haussohn“ – tagelang sprach sie nur das Allernotwendigste mit ihm. Wegen zuspäten Nachhause kommen gab es einen Sonnabend Differenzen. Eberhard kam um 10 Uhr weinend zurück „sie lassen mich nicht rein“. Vater war in Porto Alegre, die Mutter besprach die Sache mit Ulli, und der war der Ansicht: „Schluß!“ – Es gab dann am nächsten Tage noch eine verständige Aussprache mit Pfr. Scheele, doch blieb die Mutter bei ihrem Entschluß.
- Aber da der Junge so sehr begabt ist, will ich ihm weiter Latein-Unterricht geben.
- Das ist sehr edel von Ihnen gedacht, Herr Pfarrer, doch können wir das nicht annehmen.
Zum Glück billigte Vater im nächsten Brief die gefassten Beschlüsse. Erfreulicherweise blieb man – zur verwunderung vieler – in gutem Verhältnis zum Pfarrer.
Die Konfirmation war für einen Adventssonntag angesetzt, doch konnte der Vate sich dazu nicht frei machen. Da erbot sich Pfr. Scheele, Eberhard allein am 28. Dezember einzusegnen, un dazu konnte der Vater nach Ijuí kommen. Es wurde ein Feierlicher, ungetrübter Tag.


1942

Am 11. Januar fand nun due Übersiedlung nach Porto Alegre – Tristeza statt. Weil Rosa Wegener – Gonçalves heiratete, vererbte sie an den Vater die Wohnung.
Da kam die Kriegserklärung zwischen Deutschland und Brasilien heraus, und am 30. Januar wurde Vater als angeblicher Spion festgenommen und in einem Taxi abgeholt. 10 Tage verbrachte er unterm Dach der Zentralpolizei und wurde dann um Mitternacht in die Casa da Correção[17] übergeführt.
Es war eine schwere Zeit für uns alle, doch immer wieder streckte Gott seine hilfreiche Hand aus. Ein grosser Druck wurde Vater von der Seele genommen, als nach 3 Wochen Frau und Sohn ins Zuchthaus zu Besuch für eine volle Stunde kamen und sogar deutsch sprechen durften. Eberhard verhielt sich so tapfer, daß sein Vater um vieles getröstet den Rest der Gefangenschaft besser ertragen konnte. Trotz hilfreicher Nachbarn musste natürlich sehr gespart werden, aber das war doch eine besonders liebevolle Leistung, daß Eberhard den Weg von P. Raspes zu Fuß nach Hause machte. Er brachte von dort Eier und ein Weissbrot mit, und damals hatten Raspes noch nicht selbst gespürt, was es heisst, in Händen der Polizei zu sein[18]. Eberhard gestand daß das Schlimmste am Wege die Av. Getúlio Vargas gewesen sei, sie ist mehr als 1 ½ km lang, - aber voller Freude gab er seiner Mutter die gesparten 700 Reis zurück. Als e am 6. März mit einem Kuchenpaket von Frau Else Matz nach Hause kam – er hatte Jorge Weckerles Geburtstag mitgefeiert – war Vater frei und heimgekehrt.
Nachdem er sich ein bißchen zurecht geunden hatte, fing er an, wieder in Gartenanlagen zu arbeiten, und Eberhard ging auf den Vorschlag ein, ihm zu helfen. Da hieß es: ran an harte Arbeit! Aber sie war nicht ohne Nutzen für Körper und Geist. Auch mit sozialen Erkenntnissen bereicherte ihn das Jahr.
Ein besonders netter Arbeitskollege war (sein Capataz![19]) Arlindo. Er schämte sich nicht zu erzählen, daß eine seiner Großm¨tter noch den Ring durch die Nase trug. Er selbst hatte die Schule besucht und las auch gelegentlich Bücher. So erzählte er die Sage vom Trojanischen Pferd. Eberhard wusste einiges zu ergänzen! Da erstaunte Arlindo sehr und meinte:
- Es gibt och so viele Bücher! Aber daß wir Beide gerade dasselbe Buch gelesen haben!
Eine der nettesten Kundenbeanntschaften war Edith Wolf – und eine Tafel Schokolade spielte dabei auch eine Rolle! – Im Garten von Alfredo und Bemvinda Glitz musste er auch tüchtig ran – „Sterne“ aus der Grama rauspflücken – und für 1 Milreis hat er ihnen auch das Auto gewaschen. In Ipanema bei Ibãnez wurde ihm seine Lederpasta mit Badehose uns Mutters Uhr gestohlen!
Als dann Weinachten heran kam, brachte Hans Günther Naumann ein Päckchen von Strothmanns aus São Leopoldo. Als zur Sprache kam, daß Eberhard gern Theologie studieren würde, es aber finanziell nicht möglich sei, setzte sich Herr Naumann in São Leopoldo für ihn ein, P. Strothmann machte eine Art Fiador[20], und schon durfte Eberhard im März 1943 das Proseminar beziehen. Nach kurze Zeit wurde er in eine höhere Klasse versetzt. Jeden 1. Sonntag im Monat durfte er nach Hause kommen – oft mals brachte er Freunde mit.
In den Ferien vediente er sich manchmal Cruzeiro mit der Laubsäge, die ihn besser gehorchte als der Bleistift. Für Hannele Schenck sägte er bunte Kränze aus als Malvorlagen für Kalender, - für Jungmanns Puppenstuben-Möbel. 2 Tage vor Weihnachten kaufte er sich eine Sonnenbrille. Als die Mutter meinte:
- So etwas kauft mann sich eigentlich nicht kurz vorm Fest selbst – fast hätte ich Dir eine besorgt – da erwiderte er sogleich:
- Na, ich weiß doch, daß ich nicht für 16 Cr. Zu Weinachten bekomme – wie gross war sein Erstaunen, als ein Lederkoffer unter dem Weihnachtstisch heraus kam! Dieser Koffer hat manche Reise von und nach São Leopoldo mitgemacht und sich als sehr notwendig erwiesen. Aber auf eine grosse Reise hat er „seinen Herrn“ nicht begleitet: auf die Fahrt nach Santa Cruz per Fahrad. Die Kollegen, Eberhard Frank und Richard Mayer waren mit der Eisenbahn gefahren, hatten also due Überanstrengung der Radfahrt nicht mitgemacht. Gewiss, der Fahrer hat auf dem Wege gute Leute kennen gelernt, aber es war doch eine schlimme Sache, bei der das Herz sehr überanstrengt wurde. Als fröhliche Erinnerung ist dann die Teilnahme am Ball geblieben, den der Eine als Herr Schulz“ mitmachte, der andere sich sagen lassen musste, daß er eine „cabeça de zebu“[21] hätte.
Einige Male ging es auch zu den lieben Strothmanns nach Caí, wo Eberhard zu der Erkenntnis kam
- Wenn es so mit dem Alter gepasst hätte, ich glaube, ich wäre auf Tante Erika auch reingefallen! - Darauf Herr Pfarrer:
- Ja Eberhard, bin ich denn reingefallen? – Eberhard hatte ein Talent sich manchmal drollig auszudrücken. So gab es eine Briefmarke: „100 Jahre juristische Kurse“ und eine andere: „200 Jahre Kaffeebaum“ als ihm eine Neuerscheinung gezeigt werden sollte, rief er;
- Ich weiss schon: 100 Jahre juristischer Kaffeebaum.
In seiner Rede war er im ganzen klar und ohne Zier – sein Briefstil, ja, da schrieb er oft „in Zungen“, und man musste raten, Vater sagte, „Hieroglyphen“.
Zu Lieschen Dheins Hchzeit sollte der 8 Jährige ein Gedicht aufsagen, mit dem er sein Geschenk: Holzlöffel überrreichte.
- Mutti, mach es bitte nicht so mit heiliger frommer Ehe, das sage ich nicht gern.
Es war ihm dann sehr recht, wie er den Korb mit den Löffeln wegstossen durfte und dazu rief: „Zum Deubel mit dem ganzen Dreck“. Als er noch jünger war, rief er seinem kecken Schwesterchen einmal zu
- Die Frechheit laß ich mir verbitten! – Es wurde zwischen den beiden oftmals munter gezankt. In späterer Zeit fiel es der Mutter aud daß es sehr viel friedlicher zwischen den Beiden zuging. Auf eine Frage gab es die Antwort:
- Ich bin doch schließlich ein Christ, und da ist es doch besser, wenn wir uns gut vertragen.
Im allgemeinen hingen die 4 Geschwister sehr aneinander, zur grossen Freude ihrer Eltern. Auch das wird dazu beitragen, daß Eberhards Erinnerungen an seine Kindheit und Jugendzeit eine frohe sein wird.

(Seite 63)
[1] Dazu Wulfhild Sydow: Ich vermute, daß viele Deutsche in der Zeit der Inflation die fälligen Steuern oder ihre Schulden nicht mehr zahlen konnten, weil die Geldentwertung in rasender Geschwindigkeit galoppierte. Um dennoch an das Geld zu kommen, zog man vor Gericht. Wenn dort entschieden wurde, daß die Geldforderung zu Recht bestand, dann wurde ein vereidigter Staatsbeamter, nämlich der "Gerichtsvollzieher", geschickt, um die Schulden einzutreiben. (Er vollzog, was das Gericht entschieden hatte, daher die Berufsbezeichnung "Gerichtsvollzieher"). War kein Geld bei dem Schuldner vorhanden (was in der Regel der Fall war), dann wurden eben ersatzweise Wertgegenstände aus dem Haushalt mitgenommen, wie Schmuck, Gemälde, Möbel, Pelze usw. Diesen Vorgang nennt man "Pfändung", weil statt Geld ein "Pfand" eingezogen wurde. In diesen Zeiten der "galoppierenden Inflation" gab es außerdem eine sehr hohe Zahl an Arbeitslosen - mit Ausnahme der "Gerichtsvollzieher", die alle Hände voll zu tun hatten, die Außenstände einzutreiben und deshalb nicht von Arbeitslosigkeit bedroht waren. Diese kleine Episode ist natürlich von der Verfasserin der Lebensbeschreibung ironisch gemeint, wenn sie schreibt, daß es "eine Armee von 10.000 Gerichtsvollziehern" zur damaligen Zeit gab.
[2] Pferdeweide
[3] Laranjen ist eine deutsche pluralisierung der portugiesichen „laranja“, das heist, Orange oder Apfelsine; „à vontade“ bedeutet „so viel wie Du willst“.
[4] Startsprung und mindestens 400m Schwimmen in höchstens 25 Minuten, davon 300 m in Bauch- und, 100 m in Rückenlage, zweimal ca. 2 m Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen eines Gegenstandes, 10 m Streckentauchen, Sprung vom 3 m-Brett, Kenntnis von Baderegeln und Selbstrettung
[5] Caminhão = Lastkraftwagen
[6] Da haben wir gleich drei Sachen in einem Satz: 1. Mit Lha 19 ist höstwarscheinlich Linha 19, das heist, Linie 19 gemeint. Früher wurden die Felder in Linien geteilt, und in Jeder Linie gab es dan die Bauerneigentümer. 2. Ernearbeit = Erntearbeit? 3. Farmácia = Apotheke auf Portugiesisch.
[7] Über diese Namen bin ich nicht sicher. Muss mal jemanden fragen der Hildegards Handschrift besser versteht.
[8] Semana da Pátria = Vaterlandwoche
[9] Zündschnur. Auf portugiesisch = pavio.
[10] Prefeitura = Rathaus auf portugiesich. Prefäkt = Bürgermeister.
[11] Chácara = Bauernhof, Farm
[12] Lixo = Abfall auf portugiesisch
[13] Lança perfume ist eine Art Spray mit Rauschmitteln, zusammengesetzt aus Ether, Chloroform, Chlorethan und Duftstoffen (Parfüm). Zum ersten mal 1906 im Karneval von Rio de Janeiro, ab 1961 verboten (aber heute noch aus Argentinien oder Paraguai ins Land geschmuggeld)
[14] cuia ist ein Teil eines flaschenförmigen Kürbis das als Becher für einen südamerikanischen indianischen Chimarrão oder Mate (Ilex paraguaiensis), ein Aufussgetränk das durch ein verziertes Metalrohr (bomba) gesaugt wird. Siehe inter dem Wort „Mate“ in
[15] Vater, ser macht Jahre heut,/ deswegen freu’n sich alle Leut/ 45, so viel eird er alt,/Drum rufet ihr „er soll Lebeb“ daß laut es schallt/ wir kaufen Geschenke, nicht viele, aber gute,/ von Gressler, Luchäse, von Geiss und von Schenck/ wir geben dir heute zum ew’gen Gedenk
[16] Milhokolben = Maiskolben = Kukuruz in Österreich = Kukurydza zwyczajna in Polen
[17] Casa da Correção = Zuchthaus
[18] Der weg von Raspes zu Sydows war bestimmt länger als 10 km
[19] Aufseher
[20] Fiador = Bürgschaft
[21] Cabeça de Zebu = Stierkopf